Gute Kommunikation braucht (ihre) Zeit

Effizient zu kommunizieren zählt zu den wichtigsten Führungs-Kompetenzen. Auch in diesem Bereich beschert uns die Digitalisierung neue Herausforderungen: Es gilt, den Spagat zu meistern zwischen möglichst schnell und dennoch möglichst gehaltvoll.

Von Christoph Beck

Die Digitalisierung verändert unsere Welt, unser Leben, unseren privaten wie beruflichen Alltag. Sie verändert vor allem auch die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, miteinander kommunizieren.

Ein Aspekt ist die Beschleunigung: Digitalisierung macht Information und Kommunikation schneller, kann helfen, Zeit zu sparen und effizienter zu agieren. Zumindest scheinbar. Denn schneller ist nicht unbedingt besser. Schneller kann auch heißen: oberflächlich, unüberlegt, überhastet, gleichgültig, phrasenhaft, unpersönlich, unverbindlich, …

Es geht um Verständigung …

Gerade für eine funktionierende Kommunikation eine gefährliche Entwicklung. Denn im Gegensatz zur Information, die in der Regel Einbahnstraßen-Charakter hat, definiert sich Kommunikation als Dialog und Austausch: Menschen treten miteinander in Verbindung, um sich mittels Sprache oder anderer Zeichen zu verständigen.

… und um persönliche Zuwendung

Es geht also zum einen um Verständigung. Und zum anderen um persönliche Zuwendung, um ein respektvolles, wertschätzendes Miteinander auf Augenhöhe. Beides kann unter oberflächlichem Schnellschnell und unbedachtem Einsatz digitaler Tools spürbar leiden.

Unbegründet ist diese Sorge sicher nicht. Das klassische Verständnis von zwischenmenschlicher Kommunikation scheint im Zuge der Digitalisierung jedenfalls vielerorts in Vergessenheit zu geraten:

  • Wenn ein Minister seine Entlassung aus einer Twitter-Kurznachricht seines Präsidenten erfährt, mag das zwar angewandte moderne Technik sein – in erster Linie ist es jedoch einfach schlechter Stil.
  • Wenn junge Menschen sich über WhatsApp & Co. im Telegrammstil („bin Kantine“) oder in Kürzelsprache („cu“ = man sieht sich; „glg“ = ganz liebe Grüße; „hgw“ = herzlichen Glückwunsch, …) unterhalten, dann ist auch das ein zeitgemäßes Verhalten. Aber wenn dieser „Abkübaz“ (Abkürzungsbazillus) das Berufsleben infiziert, dann drohen Kundenkommunikation und innerbetriebliches Miteinander viel an Substanz, Prägnanz und vor allem an Klarheit zu verlieren.
  • Wenn ich zum Geburtstag haufenweise standardisierte Gratulationen in neun Zeichen und falscher Rechtschreibung bekomme („alles gute“), ohne Anrede, dafür aufgepeppt durch mehr oder weniger kreative Emojis, dann hält sich meine Freude in Grenzen. Ich weiß nicht, wie Sie es empfinden – ich jedenfalls ärgere mich über die lieb- und gedankenlosen Alibi-Glückwünsche.
  • Wenn wildfremde Menschen mich in E-Mails oder Newslettern ungefragt duzen, ist dies zwar ein Trend unserer Zeit. Aber in diesem Fall interpretiere ich trendy einfach als unhöflich. Ebenso die Mode-Anrede „Hallo“ – ohne Namen oder andere persönliche Ansprache – als schriftliche Begrüßung.

Wohlgemerkt: Ich möchte Nutzen und Vorteile der modernen Technik überhaupt nicht in Abrede stellen. Sich dem Digitalen zu verweigern, wäre sicher der falsche Weg. Ebenso falsch ist es aber, unreflektiert und gedankenlos einfach alles mitzumachen, weil es ja „alle“ machen und weil es doch so effizient ist.

Wie so häufig im Leben ist auch hier das rechte Maß gefordert. Und ein differenziertes, bewusstes und vor allem der Situation angemessenes Verhalten.

Achtsam kommunizieren

Achtsamkeit – dieser derzeit so strapazierte Begriff passt deshalb zum Umgang mit digitalen Tools und Techniken sehr gut: Wir sollten bei Information und Kommunikation bewusst darauf achten, was wir wie tun und was wir damit möglicherweise bewirken. Und zwar sowohl im persönlichen Bereich, als auch in Beruf und Unternehmen (Stichwort Firmenkultur).

Denn unabhängig von der eingesetzten Technik: Kommunikation findet stets (oder sagen wir angesichts der zunehmend eingesetzten Chatbots oder künstlichen Intelligenz lieber: noch weitgehend) zwischen Menschen statt. Auch Geschäfte werden nicht von Unternehmen gemacht, sondern von Menschen mit Menschen. Und da sind immer auch persönliche Empfindungen und Emotionen im Spiel.

Effizient kommunizieren

Achtsam kommunizieren, dieser Appell geht nicht immer zusammen mit der aktuellen Forderung nach agilem Agieren im Arbeitsleben: Schnell und flexibel sollen wir sein, sofort wendig reagieren können. Das erfordert eine ebensolche Kommunikation: schnell, direkt, unmittelbar, effizient.

Doch: Gehaltvolle Kommunikation braucht (ihre) Zeit. Durch Verkürzung und Verknappung kann inhaltlich einiges oder vieles verloren gehen. 

  • Knappheit der Sprache und Knappheit der Gedanken liegen eng beieinander. Wer (zu) knapp spricht oder schreibt, hat sich womöglich zu wenig Gedanken gemacht. Die Sache nicht zu Ende bedacht.
  • Und wer mündlich oder schriftlich eine (zu) knappe Information erhält, kommt möglicherweise zu einer völlig falschen Interpretation, wie er das Gehörte oder Gelesene verstehen soll. Wenn Führungskräfte Aufgaben auf diese Weise delegieren, um Zeit zu sparen, werden sie deshalb häufig das Gegenteil bewirken.

Effizient zu kommunizieren, kann also nicht darin bestehen, sich grundsätzlich möglichst kurz und knapp zu fassen. Entscheidend ist vielmehr, situations- und empfängergerecht zu kommunizieren. Es gibt Situationen, da reichen wenige Stichworte oder Textbausteine als Information. Und es gibt Situationen, die erfordern eine umfassendere Erläuterung. Oder ein persönliches Gespräch. Dies entsprechend differenziert zu gestalten, zeichnet die gute Führungskraft aus.

Wertschätzend kommunizieren

Was dabei nie fehlen darf, ist der wertschätzende Umgang. Es ist sicher nicht zu viel verlangt, den Empfänger einer Mail oder WhatsApp-Nachricht anständig zu begrüßen („Guten Morgen, Frau Müller, …“) und sich am Ende des Textes ebenso anständig zu verabschieden. Okay, wenn eine E-Mail mehrfach hin und her geht, sind diese Dinge nicht jedes Mal aufs Neue nötig – aber meist wäre in solchen Fällen ein persönliches Gespräch oder Telefonat eh die bessere Variante …

Kommunikation systematisch planen

Gehen Sie das Thema „Informieren und Kommunizieren in digitalen Zeiten“ doch mal methodisch an: aktuelle Situation analysieren, Ziele definieren, Mittel und Maßnahmen zusammenstellen.

Hierzu ein paar Anregungen – variieren Sie die Fragen nach Bedarf und auch abhängig davon, ob es um Sie persönlich geht oder um die Kommunikation Ihres Unternehmens:

Analyse des Status quo:

  • Wie informiere bzw. kommuniziere ich (kommunizieren wir)? Mit welchen „Tools“, in welcher Form, auf welche Weise?
  • Wer sind dabei meine (unsere) hauptsächlichen „Gesprächs“partner? An wen wende ich mich mit welchem Ziel?
  • Wie kommuniziert mein privates Umfeld? Wie meine Kunden, meine Mitarbeiter, meine Geschäftspartner, die für mein Unternehmen bedeutsamen Multiplikatoren?
  • Was kennzeichnet die Kommunikation in unserem Unternehmen, in meinem direkten beruflichen Verantwortungsbereich?
  • Verstehen und nutzen wir Kommunikation als Visitenkarte unseres Unternehmens?
  • Welche Spielregeln haben wir für Form und Ablauf unserer Kommunikationsprozesse festgelegt (etwa Gestaltungsvorgaben für schriftliche Unterlagen, Checkliste für Telefonate mit Kunden, einheitliche Reaktion auf Anfragen)?
  • Welchen Wert legen wir in unserer schriftlichen Kommunikation auf formale Aspekte wie Orthografie oder korrekten Ausdruck?
  • Zusammenfassend: Welche Schwächen und Mängel erkenne ich in meinen diversen Kommunikationsprozessen?
  • Welche Stärken und Vorteile stehen dem gegenüber?
  • Wo erkenne ich Handlungsbedarf? Welche Mängel muss/will ich abstellen?

Zielplanung:

  • Wen will ich mit meiner Kommunikation (persönlich oder Unternehmen) erreichen?
  • Was will ich dort jeweils bewirken?
  • Welche Botschaft(en) will ich vermitteln?
  • Wie will ich mich positionieren: innovativ? kundenorientiert? seriös? jugendlich? kompetent?
  • Wie will ich das kommunikativ rüberbringen?
  • Was werde (sollte?) ich deshalb in meiner (unserer) Kommunikation verändern (Technik, Inhalte, Stil, Form, Ansprache)?

Vorgehensplanung:

  • Wie erreiche ich die definierten Kommunikationsziele?
  • Was werde ich hierfür tun oder veranlassen? (Maßnahmen)
  • Wann erledige ich dies?
  • Was brauche ich dafür? (Mittel)
  • Wessen Unterstützung ist notwendig?
  • Welche Schwierigkeiten oder Hindernisse könnten mich bremsen? Welche Risiken erkenne ich?
  • Wie reagiere ich in diesen Fällen?

Entwickeln Sie auf diese Weise Ihre individuellen Kommunikationsstrategien für verschiedene Anlässe: Für Sie persönlich, für Ihr Unternehmen generell, für Ihre Kundenansprache, für Ihre interne Kommunikation, …

Zehn Praxistipps für Ihre Kommunikation

Tipp 1: Digitalisiert werden Tools und Prozesse – die handelnden Personen sind nach wie vor analoge Menschen. Menschen nehmen Information oder Kommunikation sehr individuell wahr, rational ebenso wie emotional.

Tipp 2: Durch Kommunikation wollen Sie (Sie persönlich oder Ihr Unternehmen) andere Menschen für sich und Ihre Sache gewinnen. Entscheidend ist deshalb nicht nur, was Sie vermitteln, sondern vor allem, wie Sie das tun. Denn Kommunikation wirkt nicht nur durch Inhalt, sondern auch durch die Form (das Wie der Ansprache). In der Art, wie Sie kommunizieren, drücken Sie Wertschätzung, Achtung und Interesse am Gegenüber aus – oder das Gegenteil.

Tipp 3: Denken Sie an das vielzitierte Axiom von Paul Watzlawick: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Wir wirken, wie wir kommunizieren. Durch unsere Worte, durch unsere Sprache, durch unsere Gestik und Mimik, durch unser Verhalten.

Tipp 4: Interpretieren Sie Ihre Kommunikation immer mal wieder aus Sicht Ihres Kunden, Ihres Mitarbeiters, Ihres Freundes, Ihres beruflichen oder privaten Umfeldes. Wie wirken Sie? Wie kommen Sie an? Welche Reaktionen erzeugen Sie?

Tipp 5: Differenzieren Sie Ihre Kommunikation: Prüfen Sie, wo es angebracht ist, sie durch Verknappung oder Automatisierung effizienter zu gestalten – und wo eben nicht. Für innerbetriebliche Kurzinfos genügt häufig die Betreffzeile des internen Mailprogramms, für immer wiederkehrende Kundenfragen eine (leicht zu findende!) FAQ-Antwortliste auf der Website. Andere Anlässe (gerade im Kundenkontakt) brauchen hingegen eine jeweils individuelle Lösung und Ansprache.

Tipp 6: Kommunizieren Sie stets wertschätzend und menschlich. Also: korrekte Anrede, verständliche Sprache, saubere Argumentation, partnerschaftlicher Stil, am Empfänger und an seinem Nutzen sowie Bedarf orientiert.

Tipp 7: Lassen Sie sich nicht vom „digitalen System“ unter Druck setzen, das auf einen Kommunikationsimpuls eine möglichst sofortige Reaktion erwartet. Nehmen Sie sich für Ihre Antwort die (Reife- und Bedenk-)Zeit, die sie braucht. Dinge zu Ende zu denken, ist auch in „agilen“ Zeiten erlaubt. Und allemal effizienter, als Halbgares zu kommunizieren, das Sie später wieder relativieren müssen. Geben Sie eventuell kurzfristig eine Zwischeninfo – und später dann die fundierte Antwort.

Tipp 8: Egal, ob digital oder auf Papier: Lesen Sie Ihre Texte vor dem Versenden noch einmal durch. Am besten halblaut, dann „stolpern“ Sie fast automatisch über unrunde, schwer verständliche oder fehlerhafte Formulierungen, erkennen auch den möglicherweise fehlenden „roten Faden“. Dieser Kontrolldurchgang ist gut investierte Zeit. Sowohl bei internen Notizen, als auch bei allem, was nach draußen geht.

Tipp 9: Mit einem handgeschriebenen Brief (oder Karte) können Sie in digitalen Zeiten besonders punkten. Beim Mitarbeiter ebenso wie beim Kunden. Die persönlichen Zeilen vermitteln dem Empfänger, dass Sie sich für ihn Zeit genommen haben, dass Sie sich gedanklich auf ihn eingestellt haben, dass er Ihnen wichtig und wertvoll ist.

Tipp 10: Verstehen Sie Kundenkommunikation als Serviceaufgabe. Freilich: Guter Service kostet Zeit und damit Geld. Aber mangelhafter Service kann noch teurer werden – er kann Sie Kunden kosten. Oder gute Mitarbeiter.

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